N. J. Baker-Brian u.a. (Hrsg.): Emperor and Author

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Titel
Emperor and Author. The Writings of Julian the Apostate


Herausgeber
Baker-Brian, Nicholas J.; Tougher, Shaun
Erschienen
Anzahl Seiten
XXI, 384 S.
Preis
£55.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Raphael Brendel, Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München

Im Jahr 2009 fand an der Universität von Cardiff eine Konferenz zum Werk Julian Apostatas statt, deren Ergebnisse mit dem vorliegenden Band nunmehr gedruckt vorliegen. Der einleitende Aufsatz von Susanna Elm zu „Julian the writer and his audience“ (S. 1–18) ist vom Titel her etwas irreführend: Diskutiert werden nicht das von Julian mit seinen Schriften intendierte oder konfrontierte Publikum – beispielsweise die Stadt Athen, die Bewohner Antiochias, seine kaiserlichen Verwandten oder die Empfänger der Briefe –, sondern die späteren christlichen Autoren, insbesondere Gregor von Nazianz, und ihre umfangreichen Reaktionen auf Julians literarische Hinterlassenschaften (S. 15).

Shaun Tougher weist in seinen Ausführungen zu Julians erstem Panegyricus auf Constantius II. (S. 19–34), den er in das Jahr 356 datiert, auf den möglichen Einfluss des Himerios und die Möglichkeit der gegenseitigen Beeinflussung zwischen Julian und Themistios bzw. Libanios (statt einer einseitigen Beeinflussung Julians durch die Rhetoren) hin. Nach einer Aufzählung der möglichen Erklärungsansätze für die unkonventionellen Elemente in dieser Rede nimmt Tougher als wahrscheinlichste Option an, dass es sich dabei um eine Rede für mehr als einen Adressatenkreis handelt, die von Publikum zu Publikum unterschiedlich verstanden werden konnte. Hal Drake (S. 35–46) sieht den zweiten Panegyricus auf Constantius aufgrund seiner deutlichen Tendenz zum Verschweigen der Taten des Kaisers (über welche die Rede ihrem Titel nach handelt) als Parodie an.

Liz James analysiert Julians Panegyricus auf Eusebia (S. 47–59) – der auf S. 47 als der einzige erhaltene Panegyricus auf eine Frau herausgestrichen wird, wohingegen James auf S. 48 mehrere Parallelbeispiele anführt. James kommt zu dem Schluss, dass die Rede Kritik an Constantius durch das Lob der Eusebia vermitteln will. Sie weist darauf hin, dass die Bilder der Eusebia im Panegyricus und bei Ammianus nicht näher an der historischen Wahrheit als die der Eusebia bei christlichen Autoren stehen. Josef Lössl (S. 61–74) ordnet die Trostrede aufgrund der Abreise des Salutius als Rede mit charakteristischen Merkmalen eines Briefes ein und vergleicht sie mit anderen selbsttröstenden Reden (Cicero) und Freundschaftsdiskursen.

Drei Beiträge betrachten die Briefe Julians: Das Schreiben an die Athener ist das Thema von Mark Humphries (S. 75–90). Als zentrale Argumentationsstrategien arbeitet er die Zurückweisung der Verantwortung für die Auseinandersetzung mit Constantius und Julians Betonung der recusatio imperii1 sowie die Darstellung des Constantius als mörderischen Tyrannen heraus. Ziel sei Werbung und Erhalt von Verbündeten gewesen. John W. Watt bietet mit seiner Studie über die arabischen Übersetzungen des Antwortbriefes des Themistios an Julian (S. 91–103), die er als authentisch ansieht, eine Analyse dieser in der althistorischen Forschung verhältnismäßig wenig beachteten Quelle. Michael Trapp (S. 105–120) zeigt auf, dass es sich bei den Briefen Julians nicht immer um authentische Werke des Kaisers, sondern auch, wie dies insbesondere bei den Edikten und Reskripten der Fall ist, um lediglich von ihm durchgesehene Kanzleiprodukte handelt, deren knapper Stil erheblich von der Rhetorik seiner Privatbriefe abweicht.

Benet Salway untersucht die Inschriften Julians (S. 137–157). Er bietet einige Ergänzungen zu Contis Corpus und unterzieht die vier inschriftlich belegten Regierungshandlungen – zwei davon aus der Zeit seiner Alleinherrschaft (die Verordnungen zum cursus fiscalis und zu den iudices pedanei2) – einer genaueren Beobachtung. Angesichts des Fehlens juliantypischer Charakteristika der Texte kommt er zu dem Schluss, dass der Status als kaiserliche Verlautbarung von größerer Bedeutung als die individuelle Identität des Autors war.

Wenngleich ein bislang fehlender Überblick zur Münzprägung Julians wie der von Fernando López Sánchez (S. 159–182) durchaus zu begrüßen ist, fällt dieser bedauerlicherweise durch einige fragwürdige Thesen auf. So belegen die Münzen keineswegs die Aussage des Ammianus, wonach Constantius Julian auf dem Totenbett zum Nachfolger ernannt habe (so aber S. 162). Auch die Interpretation der Symbolik der Stiermünzen als Versinnbildlichung ordnungsgemäßer Herrschaftsnachfolge und der Verteidigung des Römischen Reiches sowie als neues Symbol für die protectores kann nicht überzeugen, zumal López Sánchez der bislang plausibelste Deutungsversuch von Kay Ehling (als Metapher des Horoskops, da Julian im Zeichen des Stieres gezeugt wurde) unbekannt zu sein scheint.3 Der grundlegenden Feststellung, dass Julian bis zum Schluss seiner Regierung in seinen Methoden der Münzpropaganda der konstantinischen Dynastie folgte, kann dagegen insgesamt zugestimmt werden.

Eric R. Varner, der die bildlichen Darstellungen Julians behandelt (S. 183–211), kommt zu dem Schluss, dass Julians Bildprogramm wie seine literarischen Werke eine „highly inventive and individual identity“ (S. 204) aufweisen. Dies muss jedoch eine Hypothese bleiben, da sich Varner – trotz Kenntnis der Arbeit – nicht näher mit Thorsten Flecks These, dass außerhalb der Münzen keine authentische Darstellung Julians erhalten sei, auseinandersetzt.4

John H. W. G. Liebeschuetz (S. 213–227) sieht die Allegorien von Helios und Kybele in Julians Reden nicht als Zeichen für die Sonderstellung beider Götter, sondern als Ausdruck des Synkretismus Julians; des Weiteren hebt er die Einflüsse des Christentums in Julians Charakteristik der Kybele hervor. Andrew Smith stellt in seinem Aufsatz zu Julians Hymne auf Helios (S. 229–237) fest, dass der Kaiser über eine Kenntnis der neuplatonischen Ideen und über das Wissen zu deren Übertragung in eine vereinfachte Form verfügte, um seine religiösen Ideen auszudrücken. Arnaldo Marcone (S. 239–250) erklärt die Reden Julians gegen die Kyniker damit, dass die Oppositionshaltung der Kyniker im Widerspruch zu Julians Ziel der religiösen Einheit stand.

David Hunt (S. 251–261) verweist auf den Angriff gegen die Göttlichkeit Jesu als elementaren Bestandteil der Polemik in Julians Contra Galilaeos und hebt die Bedeutung zeitgenössischer christologischer Debatten als Einflussfaktor hervor. In seiner Untersuchung des Misopogon (S. 263–280) konstatiert Nicholas Baker-Brian, dass Julian in diesem nicht nur Kritik an der Stadt Antiochia äußert. Es werde auch der Unterschied zwischen der verzerrenden Darstellung der kaiserlichen Tätigkeit im Genre der Lobreden und der tatsächlichen Regierungstätigkeit herausgearbeitet und somit auch Kritik an Constantius geübt. Rowland Smith (S. 281–321) bietet einen Überblick zur frühneuzeitlichen Rezeption der Caesares Julians von etwa 1580 bis 1800; er stellt dabei insbesondere Editionen, Übersetzungen und Kommentare vor.

Besondere Beachtung verdient der Aufsatz von Jill Harries (S. 121–136), der sich mit dem bislang meist vernachlässigten Thema „Julian the lawgiver“ befasst. Harries weist darauf hin, dass die ideologisch als Worte des Kaisers propagierten Gesetze tatsächlich eine Vielzahl von Autoren haben konnten und folgt Trapp in der Aberkennung der Autorschaft einiger Briefe Julians; in einigen Gesetzen des Codex Theodosianus ließe sich dagegen julianischer Einfluss feststellen. Der selektive Bericht über die Gesetzgebung Julians bei Ammianus habe den Zweck, seinen Charakter zu unterstreichen; die Knappheit der julianischen Gesetze im Codex Theodosianus sei in der redaktionellen Tätigkeit der Kompilatoren begründet, dennoch seien hier christenfeindliche Tendenzen auszumachen. Trotz vorhandener Innovationen handele es sich bei vielen Gesetzen um simple Bestätigungen. Die Gesetzgebung sei somit insgesamt reaktiv, nicht passiv.

Das zentrale Problem dieser Interpretation ist es, dass Harries einerseits darauf hinweist, dass Julian sich an vielen Routinemaßnahmen wohl nicht persönlich beteiligte und zahlreiche Gesetze des Kaisers unter diese Definition fallen, andererseits er aber in den Texten Julians im Codex Theodosianus eine stark reduzierte Version der ursprünglichen Gesetze sehen will, die denen anderer Kaiser ähnlich seien. Zudem weist das einzige auch inschriftlich überlieferte julianische Gesetz des Codex Theodosianus (dazu Salway auf S. 146–151, nicht aber bei Harries) deutliche Übereinstimmungen in Wortlaut und Länge auf, so dass die Verantwortung der Kompilatoren hinterfragt werden kann. Auch zeigt sich bei Harries eine gewisse Tendenz, Gesetze ohne Begründung aus deren Inhalt heraus als christenfeindlich zu deuten. In einem Nachwort (S. 323–338) bietet Jacqueline Long eine Zusammenfassung der Inhalte der einzelnen Aufsätze. Im Anschluss folgt ein Gesamtliteraturverzeichnis, das die Kurztitel sämtlicher Aufsätze auflöst (S. 339–373).

Trotz einiger Kritikpunkte handelt es sich somit um einen Band, den jeder Julianforscher mit Gewinn lesen wird, auch wenn dieser bedauerlicherweise gerade bei den weniger bearbeiteten Themen wie der Münzprägung und der Gesetzgebung geringer ausfällt.5

Anmerkungen:
1 Passend gewesen wäre ein Verweis auf Ulrich Huttner, Recusatio imperii, Hildesheim 2004 (S. 248–295 zu Julian).
2 Zu ersterer werden jedoch die relevanten Forschungen von Anne Kolb vollständig ignoriert: Cursus fiscalis, in: Regula Frei-Stolba / Michael Alexander Speidel (Hrsg.), Römische Inschriften – Neufunde, Neulesungen und Neuinterpretationen, Basel 1995, S. 191–204; Kaiser Julians Innenpolitik, in: Historia 47 (1998), S. 342–359, bes. S. 355f.; Transport und Nachrichtentransfer im Römischen Reich, Berlin 2000, S. 143f.
3 Kay Ehling, Bemerkungen zu Julians Stiermünzen und dem Geburtsdatum des Kaisers, in: Jahrbuch für Numismatik und Geldgeschichte 55/56 (2005/2006), S. 111–132.
4 Thorsten Fleck, Die Portraits Julianus Apostatas, Hamburg 2008. Zustimmend dazu die Rezension von Kay Ehling, in: Bonner Jahrbücher 208 (2008), S. 430f.; vgl. auch die Besprechung von Jean-Robert Gisler, in: Museum Helveticum 67 (2010), S. 171.
5 Wenige Druckfehler fielen auf: S. 90, Anm. 76 lies „2008a“ statt „2008“; S. 192 lies „Nazianzus“ statt „Nazianus“; in S. 134, Anm. 25 fehlt der Verweis auf Cod. Theod. 1,16,8; S. 134, Anm. 31 lies „2,5,2“ und „2,5,1“ statt „2,4,2“ und „2,4,1“; S. 135, Anm. 41 lies „12,1,56“ statt „12,11,56“.

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